Typ IV Allergie

Quelle:  www.imd-berlin.de

 

Typ IV-Allergien werden durch Lymphozyten vermittelt

Die Typ IV-Allergie wird auch zellulär vermittelte Spättypallergie genannt. In der Dermatologie spricht man auch von Kontaktallergie. Dieser Begriff schließt aber korrekterweise nur die Überempfindlichkeiten der Haut ein.

Zellulär bedeutet hier »durch T-lymphozyten vermittelt«, denn die Spättypallergie wird ausschließlich von allergen-spezifischen T-Lymphozyten getragen. IgE- oder andere Antikörper haben keine Bedeutung.

Auch bei der Typ IV-Allergie kommt es wie bei der Soforttypallergie beim Erstkontakt zu einer Sensibilisierung. Allerdings bilden sich hier nicht IgE-Antikörper gegen das Allergen sondern allergen-spezifische T-Lymphozyten (d.h. Lymphozyten die das Allergen über ihren T-Zellrezeptor erkennen). Diese Zellen persistieren als Gedächtniszellen (T-memory Lymphozyten) vor allem in der Milz und den Lymphknoten und »warten« auf den Zweitkontakt (das gleiche passiert z.B. nach Impfungen wo die Sensibilisierung ja gewollt ist). Nur wenige Zellen zirkulieren dauerhaft im Blut. Beim Zweitkontakt kommt es zu einer schnellen klonalen Aktivierung und Vermehrung der betreffenden Lymphozyten. Klonal bedeutet, dass wirklich nur diese eine Entität vermehrt wird, nämlich genau die, welche gegen das auslösende Antigen gerichtet ist. Die klonale Vermehrung der allergen-spezifischen Lymphozyten im Gebiet des Allergenkontaktes stellt den Startpunkt der Entzündung dar. Das in der ersten Phase primär lymphozytäre Infiltrat bekommt allerdings schon nach wenigen Stunden ein lympho-monozytäres Bild, denn angelockt durch Zytokine kommt es zur Einwanderung auch unspezifischer Entzündungszellen.

Der Begriff »schnell« ist allerdings relaltiv zu sehen, denn es dauert trotzdem 48-72h bis zum Vollbild der allergischen Entzündung, was also deutlich langsamer ist als bei der IgE-vermittelten Soforttypreaktion.

Mechanismus der Typ IV-Allergie

Jedes Fremdantigen wird den T-Lymphozyten von Antigen-präsentierenden Zellen gezeigt. Existieren im Organismus Gedächtniszellen gegen dieses Antigen/Allergen, kommt es zur Typ IV-Immunreaktion, das heißt zur klonalen Vermehrung der antigen-spezifischen T-Zellen.  Die Folge ist eine Entzündung am Ort des Primärkontaktes (Lokalreaktion) und eine Freisetzung von Entzündungsmediatoren die auch fernab von der Initialstelle Symptome verursachen können (systemische Symptome).

Die Symptomatik bei Typ IV-Allergien hängt vom Allergen, von Dauer und Art des Kontaktes sowie vom Organsystem ab, in dem der Kontakt stattfindet.

Lymphozytentransformationstest (LTT)

Der LTT ist die derzeit einzige erprobte Labormethode zum Nachweis einer spezifischen zellulären Sensibilisierung. Der Test wurde erstmals 1960 beschrieben und hat sich seitdem durch Entwicklung der Zellkulturtechniken und der Analyseverfahren zu einem reproduzierbaren und hochsensitiven Verfahren für die medizinisch-biologische Forschung, aber auch für die Routinediagnostik entwickelt. Er basiert auf dem Prinzip der antigen-(allergen)-spezifisch induzierten Zellteilung von Lymphozyten nach Kontakt mit ihrem »passenden« Allergen«. Eine positive Reaktion im LTT beweist die Existenz von antigen-spezifischen Lymphozyten (Gedächtniszellen) im Blut des Patienten. Die neuerdings verwendeten optimierten LTT-Varianten haben durch Zusatz von gentechnisch hergestelltem Interferon-alpha zur Zellkultur eine gesteigerte Sensitivität und Spezifität erlangt (von Baehr et al, J. Immunol. Methods 2001; 251: 63-71). Als Konsequenz der methodischen Entwicklungen und auch in Anerkennung der erreichten Sensitivität und Spezifität wurde der LTT in der derzeit standardisierten Form durch Fachgutachter der DACH im Frühjahr 2003 nach DIN EN ISO 15189 als Prüfverfahren akkreditiert.

 

Was unterscheidet den LTT von heute gegenüber früher verwendeten Methoden?

Noch vor wenigen Jahren hatte der LTT eine relativ geringe Empfindlichkeit und war dem Hauttest allenfalls gleichwertig, wenn nicht sogar unterlegen. Seine Spezifität war noch gering, was an zahlreichen fraglich positiven Reaktionen erkennbar war, welche die Interpretation der Ergebnisse erschwerten. In den letzten 7 - 8 Jahren hat sich dieses grundlegend geändert. Die heute in immunologischen Speziallabors angewandten LTT-Technologien sind sehr verlässlich und zeichnen sich durch hohe Sensitivität und Spezifität aus. Dazu haben die Weiterentwicklungen der Zellkulturtechniken und -medien, die Qualität der zur Zellstimulation verwendeten Allergene und nicht zuletzt die grundlegend verbesserten Messmethoden beigetragen. Die früher zur 3H-Thymidin-Aktivitätsbestimmung verwendeten Flüssigszintillations-Geräte sind durch modernste Festphase-?-Counter ersetzt worden, die jegliche nachträgliche Manipulation der allergen-stimulierten Zellen unnötig machen. Zudem wird der LTT heute in sogenannten Mikrokulturtechniken durchgeführt, weshalb Mehrfachansätze mit jedem Allergen möglich sind, was die Sicherheit der Aussage bedeutend erhöht. Zur Entwicklung dieser Mikrokulturtechnik hat die Verwendung von Interferon-alpha in der Zellkultur (von Baehr et al, 2001) ebenso beigetragen, wie die Verfügbarkeit von speziellen Zellkulturplatten aus der modernen biotechnologischen Forschung.

Der Lymphozytentransformationstest (LTT) stellt in seiner derzeit verfügbaren modernen Durchführungsweise eine Labormethode dar, die in der medizinischen Diagnostik bei verschiedensten Krankheitsbildern einen festen Platz gefunden hat. Trotzdem muss von Anwendern auch zukünftig gefordert werden, dass modernste Erkenntnisse der Forschung ähnlich zur Molekularbiologie schnell in medizinischen Labors erprobt und umgesetzt werden.

Indikationen für den Lymphozytentransformationstest (LTT)

Nachweis oder Ausschluss von:

  • Sensibilisierungen vom zellvermittelten Typ (Typ IV-Allergie) z.B. Kontaktallergien auf Metalle und Kunststoffe
  • Defekten und Funktionsstörungen des Immunsystems
  • Zelluläre Kompatibilität/Inkompatibilität (Transplantationsmedizin)
  • Lymphozytäre Reaktivität gegenüber Infektionserrregern (z.B. Borrelien)

Kontaktallergie (der Haut)

Primär- und Sekundärkontakt finden über die Haut statt. Die typische Klinik ist das Kontaktekzem mit Hautrötung, Schwellung, nässenden Bläschen und Krusten. Klassische Auslöser sind Metalle (nicht nur Nickel!), Acrylate, Duftstoffe, Farbstoffe und bestimmte Chemikalien aus dem Bereich der Berufsallergene. Prinzipiell kann aber jeder Fremdstoff eine Kontaktallergie auslösen.
Meist bleibt die Überreaktion auf jene Stelle begrenzt, die mit dem Allergieauslöser in Kontakt stand.
Die Diagnostik von Kontaktallergien erfolgt mit dem Epikutantest oder (bei Kontraindikationen) mit dem Lymphozytentransformationstest (LTT).

Arzneimittel-Allergie vom Typ IV

Arzneimittelallergien können IgE-vermittelt sein (siehe Typ I-Allergie), sie sind aber häufiger zellulären Ursprungs.
Abgesehen von z.B. Hautsalben findet der Primär- und der Sekundärkontakt bei Typ IV-Allergien auf Medikamente über die Schleimhäute oder (weil oft erst Abbauprodukte das Allergen darstellen) über den Blutweg statt. Die Klinik ist daher weniger typisch. Die Haut kann betroffen sein (Exanthem, Urtikaria), muss es aber nicht. Auch Erhöhungen der Leberwerte, Schwellung der Schleimhäute in Mund- und Rachenraum, Husten und Reaktion des Verdauungstrakts in Form von Durchfall, Blähungen, Erbrechen, Koliken, sowie Fieber und Störung des Allgemeinbefindens können kombiniert oder isoliert auftreten. Durch die systemische Immunaktivierung ist eine Verstärkung reaktiver lokaler Entzündungserscheinungen (Arthritis, Kolitis u.a.) möglich.

Klassische Auslöser sind:

  • Antibiotika (Penizilline, Sulfonamide, Beta-Lactam-Antibiotika, auch Cephalosporine)
  • Schmerzmittel (Acetylsalicylsäure (Aspirin), Pyrazolone (Novalgin) und andere nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR, z.B. Paracetamol, Diclofenac).
  • Bluthochdruckmittel
  • Antidiabetika
  • Röntgenkontrastmittel
  • Immunglobuline.
  • Andere Arzneimittelhilfsstoffe, Bestandteile der Zubereitung oder Konservierungsstoffe

Prinzipiell kann aber jedes Medikament (auch pflanzliche und nicht verschreibungspflichtige) eine Arzneimittelallergie vom Typ IV auslösen.
Im Unterschied zur Kontaktallergie sind unspezifische und systemische Symptome typisch.
Die Diagnostik von Medikamentensensibilisierungen vom Typ IV erfolgt vorrangig mit dem Lymphozytentransformationstest (LTT). Für diese Fragestellung ist der LTT von der  Kommission »Methoden und Qualitätssicherung« des Robert-Koch-Institutes uneingeschränkt empfohlen worden (Bundesgesundheitsblatt 2008; 51: 1070-1076). Der Epikutantest ist für den Nachweis systemischer Sensibilisierungen (Sensibilisierungen bei denen der Kontakt nicht über die Haut stattfindet) wenig aussagekräftig.

Zahnersatzmaterialunverträglichkeit

Wie bei Medikamentenallergien findet zumindest der allergieauslösende Sekundärkontakt nicht über die Haut sondern über die Schleimhaut statt. Insofern sind Hautreaktionen eher selten anzutreffen obwohl das sogenannte hämatogene (über das Blut fortgeleitete) Kontaktekzem möglich ist. Auch hier ist die Klinik oft uncharakteristisch. Lokalsymptome wie Parodontitis, Glossitis oder Lichen an der Kontaktstelle im Mund können auftreten. Sie sind aber wegen der geringen Immunreaktivität unserer Haupt-Antigeneintrittspforte Mundschleimhaut eher selten makroskopisch sichtbar. Symptome wie Schmerzen, Zungenbrennen und andere Missempfindungen können auch ohne makroskopisch erkennbare Entzündungszeichen vorhanden sein, wobei der kausale Zusammenhang dann oft weder bewiesen noch ausgeschlossen werden kann. Analog zu den Allergien vom Typ IV auf Arzneimittelbestandteile sind auch bei Metallen, Acrylaten oder anderen Zahnersatzmaterialien systemische Entzündungssymptome häufig anzutreffen (siehe oben).  
Die Verstärkung reaktiver lokaler Entzündungserscheinungen (Arthritis, Kolitis u.a.) durch die  begleitende systemische Immunaktivierung ist bei Zahnersatzmaterialien und anderen Ingestionsallergenen (siehe auch unten) sogar häufiger, was sehr wahrscheinlich an der dauerhaften Exposition bei inkorporierten Allergenen liegt.

Auch wenn die verantwortlichen Allergene (Metalle, Acrylate, andere) zum Nachweis der Kontaktallergie der Haut relativ gut im Epikutantest etabliert sind, bietet sich die Hauttestung bei Schleimhaut-assoziierten Allergien kaum als verlässliches Werkzeug an. Die Diagnostik sollte wie bei von Medikamentensensibilisierung vorrangig mit dem Lymphozytentransformationstest (LTT) erfolgen. Auch wenn bisher für diese Fragestellung von der  Kommission »Methoden und Qualitätssicherung« des Robert-Koch-Institutes kein eindeutiges Votum ausgesprochen wurde, wird in dem Artikel (Bundesgesundheitsblatt 2008; 51: 1070-1076) klargestellt, dass »der LTT die systemische Sensibilisierung untersucht und der Epikutantest die Kontaktallergie der Haut«.

Die Kommission fasst die Vorteile des LTT folgendermaßen zusammen:

  1. der LTT birgt keine Risiken für den Patienten, da anders als beim Epikutantest keine Induktion einer Sensibilisierung oder Verstärkung der klinischen Symptome durch diese in vitro-Labormethode möglich sind.
  2. die LTT-Ergebnisse sind nicht von der Hautbeschaffenheit abhängig
  3. beim LTT kann durch »gewissenhafte Etablierung und Validierung« das Risiko falsch positiver Resultate minimiert werden

Für mehr Informationen zum Zahnersatzmaterialunverträglichkeit siehe auch unter Umwelt-ZahnMedizin.

Typ IV-Allergien auf andere Allergene

Auch wenn die genannten Krankheitsfelder die wichtigsten Manifestationsformen der Typ IV-Allergie darstellen, kann prinzipiell jedes Fremdantigen eine Typ IV-Immunreaktion auslösen.
Dieses gilt vor allem dann, wenn die Allergene über die Schleimhäute des Darm- oder Gastrointestinaltraktes aufgenommen werden. Für größere und komplexere Allergene wie Schimmelpilze oder Nahrungsmittel stellt die Haut eine unüberwindbare Barriere dar, nicht aber die Schleimhaut. Insofern können viele der klassischen Typ I-Allergene auch Typ IV-Immunreaktionen bedingen: Beispiele sind Nahrungsmittelallergien und Schimmelpilzallergien vom Typ IV.

Wichtig:

Alle »Allergietests«, sowohl die im Labor als auch die auf der Haut, weisen lediglich Sensibilisierungen nach. Eine Sensibilisierung ist zwingende Voraussetzung für eine Allergie aber nicht jede Sensibilisierung geht auch mit einer (aktuellen) Allergie einher. Allergie ist die klinische Diagnose, d.h. sie sollte immer vom Behandler gestellt werden und nur dann, wenn ein Zusammenhang zur bestehenden Symptomatik glaubhaft hergestellt werden kann.